Die weißen Berge des Lefka-Ori-GebirgesDer Tag der großen Herausforderung rückte näher.

Im Vorfeld des Urlaubs suchten wir ja nach der großen Herausforderung. Mit der Durchwanderung der Samariá – Schlucht entgegen dem Touristenstrom war diese auch recht schnell gefunden. Aber wie sollten wir das bewerkstelligen? Irgendwie mussten wir zum unteren Eingang kommen. Das war eine leichte Übung. Mit dem Linienbus war dies durchaus machbar. Zunächst nach Iráklion und dann über Réthymnon nach Chóra Sfakíon. Mit der Fähre von hier aus nach Agía Rouméli. Das Problem war aber, dass wir damit schon fast den ganzen Tag vertrödelt hätten, ganz abgesehen davon, dass wir keine Ahnung hatten, wie wir vom Ausgang zurück nach Ágios Nikólaos kommen sollten. Wie wir es auch drehten, es schien unmöglich. Bis, ja bis uns die zündende Idee kam. Wir machen es an zwei Tagen! Nun wird jeder denken, wir sind mit dem Bus gefahren und so. Aber Fehlanzeige. Wir beschlossen, am ersten Tag die Schlucht nach unten zu spazieren (Anmerkung: wenn man bereits zwei Mal nach unten gelaufen ist, weiß man, worauf man sich einlässt). Dann wollten wir uns in Agía Rouméli ein Zimmer suchen und am nächsten Tag die Schlucht in der Gegenrichtung bezwingen. Am Ausgang würde dann ja unser Jeep auf uns warten. Nur die Übernachtung ließ uns keine Ruhe. Was, wenn wir kein Zimmer bekommen würden? Aber dank Internet und anderer moderner Kommunikationsmöglichkeiten schafften wir es, bereits von Deutschland aus ein Zimmer in Agía Rouméli zu reservieren. Damit stand aber auch schon der genaue Termin für die Unternehmung Samariá fest. Daran musste sich unser gesamter Urlaubsplan nun orientieren. Im Übrigen haben wir für das Zimmer inklusive Bearbeitungsgebühr 70 DM bezahlt. Nicht jeder, nein, alle zusammen. Wenn das kein Schnäppchen war!

Also, heute war nun der Tag gekommen, an welchem die Tour starten sollte. Pünktlich 04:30 Uhr machten wir uns samt unserer Fresstüten auf den Weg. Auch heute leistete der Pullover wieder gute Dienste. In den Morgenstunden kann es im September auf Kreta doch schon recht kühl sein. Kurz hinter Ágios Nikólaos fuhren wir erst mal Tanken. Hier gibt es eine der wenigen Tankstellen, wo man rund um die Uhr Sprit bekommen kann. Dann ging die Fahrt weiter in Richtung Iráklion. Wir nahmen wieder die Schnellstrasse, da es erstens sowieso noch dunkel war und wir zweitens  schnell vorankommen wollten. In Mália sahen wir dann genau das, was wir hier vermutet hatten. Das Nachtleben war noch voll im Gange. Aus jeder Bar drang andere Grölmusik an unsere Ohren. Es wimmelte nur so von halb und ganz besoffenen Leuten. Das war nichts für uns, obwohl wir bestimmt noch nicht zu alt für eine Disco sind. Schnell, aber dennoch vorsichtig, verließen wir den Ort des Schreckens. Wir kamen sehr schnell voran. Kein Wunder, um diese Zeit waren wir ja auch fast die Einzigen auf Kretas Strassen. Nach Iráklion, es war bereits etwas heller geworden, beschlossen wir, irgendwo eine Kaffeepause zu machen. Normalerweise findet man auf Kreta eine Taverne an der anderen (jedenfalls an der Nordküste...). Nicht aber, wenn man eine sucht. Es sollte bis hinter Réthymno dauern, ehe wir fündig wurden (wir wollten die Hauptstraße nicht unbedingt im großen Stile verlassen!). Dafür bekamen wir aber auch einen sehr guten Kaffee kredenzt. Aus einer richtigen Kaffeemaschine. Richtiger Filterkaffee, keine Würmer mit heißem Wasser, wie sonst üblich. Wir aßen dort nichts, denn wir hatten ja unsere Verpflegung dabei und hatten sowieso noch keinen Hunger. Die vielen Sehenswürdigkeiten, die an der Strecke lagen, ließen wir alle links (teilweise auch rechts) liegen. Wir hatten nur ein Ziel: Samariá. Irgendwo, kurz vor Chaniá, verließen wir die Küstenstrasse und bewegten uns nun landeinwärts in die Levká Óri, die Weißen Berge. In einer größeren Siedlung fanden wir sogar noch eine Tankstelle. Sicherheitshalber tankten wir hier noch einmal voll. Nach einer geruhsamen Fahrt erreichten wir Omalós, den Hauptort der gleichnamigen und sehr fruchtbaren Hochebene. Von hier aus sind es nur noch wenige Kilometer bis zum Schluchteingang. Diese bewältigten wir in wenigen Minuten.

In Xylóskalo („hölzerne Treppe“) angekommen, beschlossen wir, unsere Fresstüten zu plündern. Etliche Scheiben Weißbrot, Wurst, Käse, ein gekochtes Ei, eine Orange, Tomaten und Gurkenscheiben hatten die fürsorglichen Hotelleute für uns eingepackt. Das Obst und Gemüse nahmen wir mit in die Schlucht als Feuchtigkeitsspender. Brot und Zeugs aßen wir sofort. Am Eingang der Schlucht gibt es auch ein kleines Selbstbedienungsrestaurant, in welchem wir uns noch für einige Zeit niederließen. Zum Touris beobachten. Wir waren nämlich zu einer Zeit hier angekommen, als auch die ersten „organisierten“ Reisegruppen aus Chaniá und Réthymno hier ankamen. Das war ein sehr lustiges Schauspiel. Der Mensch ist doch ein Herdentier, wie wir hier leibhaftig miterleben durften. Einer sprang aus dem Bus und stürzte in unsere Richtung. Nein, der wollte bestimmt nicht zu uns. Und da das die anderen sahen und dachten, sie könnten ja was verpassen, stürzten sie ihm nach. Er wollte bloß aufs Klo. Schade für den Rest der Gruppe. Auch am Kassenhäuschen zur Schlucht ein typisch menschliches Verhalten. Alle drängeln, um möglichst der erste zu sein. Als ob die Schlucht in 5 Minuten nicht mehr existieren würde. Wir tranken derweil genüsslich unseren Kaffee und freuten uns über die Touris. So langsam wurde es aber auch für uns Zeit, in die Schlucht zu steigen. Um 17:00 Uhr sollten wir am Apartment in Agía Rouméli sein und wir wussten ja noch nicht, wo sich dieses befand. Also nutzten wir die Chance zwischen zwei Touristenbussen, um mit der Wanderung zu beginnen. Da die Tour nach unten nur Mittel zum Zweck war, werde ich nichts darüber berichten. Nur soviel, dass wir gerade mal vier Stunden und 30 Minuten benötigten. Dafür, dass wir uns Zeit gelassen haben, gar nicht so schlecht.

Unser Quartier für eine Nacht: Artemis-ApartmentsGegen 15 Uhr waren wir am unteren Ausgang der Schlucht. Die meisten Touristen sahen doch sehr erschöpft aus und freuten sich, nachdem sie am Ausgang die viel zu teuren Getränke zu sich genommen hatten, dass die Strapaze nun vorbei sei. Aber denkste! Kein Reiseführer oder Veranstalter verrät, dass es vom Ausgang der Schlucht bis zur Schiffsanlegestelle noch einmal ungefähr 3 km durch das Flussbett und das alte Agía Rouméli sind. Schadenfreude ist doch was Feines! Wir verzichteten dankend auf den mit viel Wasser gestreckten frischen Orangensaft und gingen unserer Wege nach Agía Rouméli. Dort steuerten wir die Taverne an, die uns schon vom Aufenthalt vor drei Jahren bekannt war. „Artemis“ – Göttin der Jagd – war ihr Name. Erstaunlicherweise konnten wir hier recht preiswert etwas Essbares bekommen. Souvlaki natürlich, was denn sonst. Nach dem Essen machten wir uns auf die Suche nach dem Apartmenthaus. Mehr als eine schlechte Schwarzweiß – Kopie von dem Gebäude hatten wir nicht. Da Agía Rouméli aber nicht zu den größten Städten Kretas gehört, brauchten wir nicht lange, um das Haus zu finden. Da wir viel zu früh hier waren und natürlich niemand da war, der auf uns wartete, beschlossen wir, uns in den Garten des Hauses zu setzen und zu warten, bis die Zeit kam. Ein bisschen kaputt waren wir ja.

Nun war es aber an der Zeit, dass endlich jemand mit unserem Zimmerschlüssel auftauchen sollte. Man erwartet ja auf Kreta nicht unbedingt, dass die Menschen pünktlich sind, aber als um 17:45 Uhr immer noch niemand zu sehen war, wurden wir etwas unruhig. Die Bierreserven, welche wir zuvor in einem „Supermarkt“ erworben hatten, waren auch langsam aufgebraucht. Es war 18:00 Uhr, als wir beschlossen, nicht mehr länger tatenlos rumzusitzen. Aber was sollten wir machen? Erst einmal gingen wir ins Haus. Einige der Zimmer standen offen, so dass wir einen Blick hineinwerfen konnten. Dabei fiel uns eine Visitenkarte des Besitzers in die Hand. Auf dieser wurde auch Reklame für ein Restaurant gemacht. „Artemis“ hieß es. Langsam dämmerte es uns. Waren wir nicht vorhin dort zum Mittagessen? Es wurde beschlossen, dass einer von uns hier die Stellung hielt (für den Fall, dass der Vermieter doch noch erschien) und die anderen zurück zur Taverne gehen, um nachzufragen. Und diese Entscheidung war goldrichtig. Man wartete bereits auf uns. Das war dann wohl so etwas wie dumm gelaufen. Na ja, kann ja mal passieren. Jedenfalls hatten wir jetzt den Schlüssel für das Apartment in der Hand und der Kneipier sagte uns, wir sollten doch heute Abend noch mal vorbeikommen. Wir schleppten also unser Siebensachen (warum eigentlich sieben? Es waren doch nur drei Rucksäcke!) aufs Zimmer und teilten die Reihenfolge beim Duschen ein. Wieder einmal ging es nach Alter.

Prost! In der Taverne ArtemisNachdem wir uns gründlich erfrischt und gesäubert hatten (an uns klebte nämlich immer noch die halbe Samariá-Schlucht) einigten wir uns darauf, noch mal in die Taverne zu gucken, da wir sowieso nichts besseres zu tun hatten. Und so groß war die Auswahl an Gaststuben in Agía Rouméli auch nicht. Hier bestellten wir erst einmal drei große Bier (eines für jeden; wir sind doch keine Trinker, oder?). Da an diesem Abend nicht nur die Hälfte der Samariá – Tour vorüber war, sondern auch Bergfest des gesamten Urlaubs, genehmigten wir uns einen Ouzo. Der kam dann eisgekühlt in einem Limoglas und dazu noch etwas Wasser. Mit einem kräftigen „Jia mas“ schluckten wir das Zeug. Ich hab mich ganz schön geschüttelt. Aber durch das Wasser wurde die ganze Sache etwas abgemildert. Nach noch einem Bierchen bezahlten wir dann. Danach kam das k.o. Der Kneipenbesitzer lud uns noch auf einen Ouzo auf Kosten des Hauses ein. Das war der Todesstoß. Irgendwie fanden wir aber den Weg zurück in unser Apartment noch. Jedenfalls wachten wir am nächsten Morgen dort auf.


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Samaria runter

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Letzte Änderung am Mittwoch, 17.Januar, 2012 um 06:23:21 Uhrum 06:23:52 Uhr